Bridgeartikel in der Tiroler Tageszeitung
Es muss im Frühjahr 1992 gewesen sein, dass Waltraud Seidel, schon damals bereits langjährige und rührige Präsidentin des Bridgeclub „Rot-Weiß-Rot” Innsbruck, mit der Tiroler Tageszeitung die Vereinbarung treffen konnte, dass – mit wenigen Ausnahmen, vor allem in der Weihnachtszeit – in jeder Samstag-/Sonntag-Ausgabe der TT ein Bridgeartikel erscheinen kann, und zwar seit langem in „Service&Termine” rechts neben den Schachnachrichten. Dies war und ist natürlich für die Bekanntheit des Bridgesports in Tirol ein wichtiger Erfolg und ein öffentlich wahrnehmbares Signal, dass dieses Spiel auch in Tirol seine Fans hat. Ich schätze die Lesergemeinde der Bridgeartikel in der TT auf etwa 100 Personen.
Den Bridgeartikeln stand und steht allerdings auch heute noch, nur eine von sechs Spalten mit dem Drittel der Höhe einer vollen Seite zur Verfügung. Das reicht nur für ein Diagramm mit zwei von den vier Händen. Abgedruckt wird stets das – als solches gekennzeichnete – Blatt des Dummy, der immer auf Nord sitzt, und regelmäßig abwechselnd, Ihr Blatt auf West als linker Gegner des Alleinspielers oder auf Süd als Alleinspieler oder auf Ost – als der vor dem Alleinspieler sitzende Gegenspieler. Die Beschränkung auf nur zwei Diagramme weicht von der sonst in Zeitungen und Bridgejournalen üblichen Praxis ab, die Karten aller vier Hände wiederzugeben, hat allerdings ihr gegenüber den Vorteil, viel wirklichkeitsnäher zu sein: Am Bridgetisch sieht ja jeder Spieler zunächst nur sein eigenes Blatt, nach dem Erstausspiel auch die Karten des Strohmannes, also nur zwei Blätter. Dazu kommen 23 Textzeilen, keine mehr und keine weniger, was eine Länge von plus/minus zwei Worten bedeutet. Die strikte Vorgabe, des für den Text zur Verfügung stehenden Raumes, zwingt allerdings zu einer sehr konzentrierten und sprachlich präzisen Darstellung – eine besondere Herausforderung, aber nicht immer unbedingt ein Nachteil.
Zunächst schrieb Waltraud Seidel die Artikel großteils selbst, trat aber im Herbst 1992 an mich mit der Frage und Bitte heran, ob auch ich – zunächst gelegentlich – Bridgeartikel beisteuern könnte. Am 31. Oktober 1992 erschien „4711 – auch am Bridgetisch” als mein erster Artikel, dem in lockerer Folge bis 25. September 1991 weitere 18 von mir verfasste Artikel folgten. Ab 9. Oktober 1993 sind dann – mit Ausnahme von drei weiteren Artikeln von Waltraud Seidel, vier Beiträgen von Tilman Seidel und einem von Dieter Kuba – nur mehr von mir geschriebene Artikel erschienen. Am 5. Jänner 2008 wurde mein 750. Artikel – worauf im Text auch hingewiesen wurde – „Mit allen Salben geschmiert” abgedruckt.
Da ich mich von Anfang an keinem Zeitdruck aussetzen und der zunächst geübten Praxis, die Artikel für jede Woche getrennt abzuliefern, auf Dauer nicht unterwerfen wollte, übermittle ich die Bridgeartikel der Redaktion der TT schon Monate vor dem geplanten Erscheindungsdatum. So liegen die Artikel, die bis 5. Mai 2008 erscheinen werden, schon seit Juli 2007 in der Redaktion der TT. Bald sammelten sich bei mir Artikel „auf Halde” an, derzeit sind das weit über 100. Es erübrigt sich zu betonen, dass allein die elektronische Dokumentation und Archivierung aller Artikel sehr zeitaufwendig ist.
Der geschworene und zu Recht gefürchtete Feind aller, die Bridgeartikel verfassen, ist natürlich das Vorkommen der selben, meist kleinen und unwichtigen Karte in zwei Blättern und – noch viel schlimmer – die Fehlanalyse. Ich muss gestehen, dass ich von keiner dieser beiden Fehlleistungen verschont geblieben bin. Allerdings befinde ich mich zumindest bei Zweiterer in guter Gesellschaft, weil Fehlanalysen selbst im renommiertesten Bridgejournal „THE BRIDGE WORLD”, wenn auch selten, passieren und später – meist von aufmerksamen Leserinnen und Lesern – korrigiert werden. Da anfangs von der TT sowohl die Diagramme neu gesetzt wie auch der Text neu geschrieben werden musste – und das von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der TT, die keinerlei Ahnung von Bridge haben – waren und sind, hoffentlich jetzt jedoch weniger häufig, Fehler unvermeidlich. Das veranlasste mich schon bald, mir von der TT die Korrekturfahnen vorlegen zu lassen, und führte auch zu einem Artikel mit dem Schillerzitat „Nur der Irrtum ist das Leben”, mit dem die drei unmittelbar vorangegangenen, allesamt fehlerhaften Artikel, korrigiert wurden. Seit längerem erfolgt die Übermittlung der Artikel an die TT sowohl in Form einer hard copy als Belegexemplar wie auch elektronisch als Datei. Seit kurzem kann die Datei zur Gänze, also Diagramm und Text, direkt übertragen werden, so dass die Notwendigkeit von Korrekturfahnen nunmehr entfällt.
Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, verwende ich nur von mir selbst gespielte Hände. Dabei notiere ich mir genau, wer diese Hand mit wem und gegen wen und wann gespielt hat. Oft ist allerdings aus Gründen der Vereinfachung komplexer Situationen und der Notwendigkeit, die vorgegebene Länge des Textes genau einzuhalten, eine leichte Abänderung vor allem kleinerer Karten angebracht. Wenn ich mir eine Hand notiere, werde ich oft von einer oder einem Beteiligen gefragt: „Komme ich in die Zeitung?”. Meine Antwort lautet meist: „Vielleicht – aber erst in drei Jahren”.
Eine von den Leserinnen und Lesern meiner Bridgeartikel oft als besonders attraktiv bezeichnete Eigenheit ist – im Vergleich zu den Artikeln anderer Autorinnen und Autoren – die Tatsache, dass die Titel meiner Beiträge sehr häufig überhaupt nichts mit Bridge zu tun haben und auch nicht immer auf Deutsch sind. Da gibt es – einander abwechselnd – verschiedene Kategorien wie „Beinahe Sprichwörtliches”, „Englische Redewendungen”, „Gerne (aus der Sprachliteratur) Zitiertes”, „Griechische Mythologie”, „Lateinische Zitate”, „Hoch Musikalisches” – mit Titeln und Texten aus Opern oder Liedern, „Höchst Persönliches”, „Rein Technisches” oder „Sagen und Märchen”. Eine spezielle Kategorie stellt „Kurioses” dar, die für den Samstag vor dem Faschingsdienstag reserviert ist und die Phantasie übersteigende, ans Absurde grenzende Vorkommnisse schildert.
Wie lange ich das noch machen werde? Die Antwort weiß ich selber nicht. Zwar befürchte ich nicht, dass mir der „Stoff”, sprich interessante Hände, ausgehen wird, doch wird sich die Phantasie wahrscheinlich irgendwann einmal erschöpfen oder die Lust schwinden. Den Tausender werde ich aber schon noch schaffen.
Innsbruck, 22. Jänner 2008 Ludwig Call